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rik Januar 2018

FILM INTERVIEW JÉRÉMIE

FILM INTERVIEW JÉRÉMIE FOTOS: WELTKINO RENIER

FILM Entdeckt wurde Jérémie Renier als 14-Jähriger von den Brüdern Jean-Pierre und Luc Dardenne, die ihm die Hauptrolle in ihrem Film „Das Versprechen“ gaben. Mit den Regisseuren arbeitete er seither noch bei drei weiteren Filmen zusammen. Anschließend stand der gebürtige Brüsseler beim kannibalistisch-sexuell aufgeladenen Märchenfilm „Ein kriminelles Paar“ erstmals vor der Kamera von François Ozon. Nach „Das Schmuckstück“ ist der Erotikthriller „Der andere Liebhaber“ nun bereits die dritte Zusammenarbeit Reniers mit dem schwulen Franzosen. Über die Jahre war er außerdem in englischsprachigen Filmen wie „Abbitte“ und „Brügge sehen... und sterben“ zu sehen und stand für „Saint Laurent“ von Bertrand Bonello als Lebensgefährte des legendären Modeschöpfers vor der Kamera. Wir trafen den Belgier, der diesen Januar 37 Jahre alt wird, in Cannes zum Interview. Jérémie, zu viel sollte man über Ihren neuen Film „Der andere Liebhaber“ nicht verraten, aber Sie spielen darin eine Doppelrolle. War das eine große Herausforderung? Den größten Teil dieser Aufgabe hatte natürlich unser Regisseur François Ozon zu bewältigen, der hinter der Kamera und im Schneideraum einiges zu tun hatte, um diese Geschichte einer Frau und zweier identisch aussehender Männer so rätselhaft und spannend wie möglich zu erzählen. Ist der Doppelgänger real oder nicht? Haben wir es hier wirklich mit nur einem Mann zu tun oder doch mit zweien? All diese Fragen sollten das Publikum schließlich beschäftigen. Ich selbst fand es vor allem spannend, zwei Rollen spielen zu können, die noch dazu ziemlich gegensätzlich sind. Und ohne zu viele Geheimnisse zu verraten: Es war schon ein echter Schock, im fertigen Film zu sehen, wie ich mich selber küsse. Das ist in der Tat eine heftige Szene. Und auch irgendwie heiß. Wie haben Sie die eigentlich gedreht? Das ist natürlich ein digitaler Spezialeffekt, am Computer entstanden. Mit Hilfe eines Doubles, verschiedener Kameras und Nachsynchronisation lässt sich da ja heutzutage einiges machen. Aber heiß oder sinnlich war das beim Drehen überhaupt nicht. Es ging immer nur um die Frage, für welche Aufnahme ich meinen Kopf zu welcher Seite lehnen und meinen Mund auf welche Weise öffnen muss. Sowohl Sie als auch Ihre Filmpartnerin Marine Vacth zeigen im Film jede Menge nackte Haut. Wie wohl fühlen Sie sich damit? Prinzipiell ist gegen das Nacktsein natürlich gar nichts einzuwenden, aber vor der Kamera ist das schon nicht ohne, gerade bei expliziten Sexszenen. Da war es sehr angenehm, dass Marine und ich uns von Anfang an gegenseitig unterstützt haben. Wir beschlossen, voreinander alle Hemmungen abzulegen, so nach dem Motto: wennschon, dennschon. Schließlich sollten diese Szenen richtig aufregend sein, an der Grenze zum Schockierenden. Aber Sie müssten doch längst gewohnt sein, als Sexsymbol wahrgenommen zu werden, oder? Klar, das ist nichts Neues für mich. Wenn man meinen Namen bei Google eingibt, ist der erste Suchvorschlag: „Jérémie Renier nackt“. Wahrscheinlich kein Wunder, wenn man wie ich sich schon als 17-Jähriger vor der Kamera auszieht. Das war damals für meinen zweiten richtigen Film, „Ein kriminelles Paar“, den auch schon François Ozon inszenierte. Ich habe also Übung – und muss natürlich auch zugeben, dass es als Schauspieler Schwierigeres gibt als Nacktund Sexszenen. Singen und Tanzen fällt mir jedenfalls deutlich schwerer. In einigen der Sexszenen in „Der andere Liebhaber“ kommen Sadomaso- Aspekte ins Spiel, nicht wahr? Ja, dafür habe ich mir sogar extra „Fifty Shades of Grey“ angesehen. Und vor allem „9½ Wochen“ aus den Achtzigern. Den hatte ich ewig nicht mehr gesehen, aber er ist erstaunlich gut gealtert. Zu sehen, wie Mickey Rourkes Figur gleichzeitig pervers und zärtlich ist, fand ich für meine eigene Rolle sehr aufschlussreich. In „Der andere Liebhaber“ heißt es an einer Stelle, es gäbe keine Monster, nur Menschen ... Das würde ich aber nicht unterschreiben. Ich finde schon, dass es Menschen gibt, die echte Monster sind. Leider. Haben Sie sich für den Film eigentlich mit Psychologie beschäftigt? Immerhin spielen Sie einen Therapeuten! Ich habe zwanzig Jahre Psychoanalyse hinter mir, nur um diese Rolle spielen zu können. (lacht) Wollen Sie so etwas hören? Tatsächlich habe ich ein bisschen eigene Therapie- Erfahrung, aber nicht allzu viel. Es war jetzt allerdings auch nicht so, dass ich unglaublich viel recherchieren musste, um diese Rolle spielen zu können. Ich habe Bücher von Freud und Lacan gelesen, das reichte mir. Sie haben mit François Ozon schon 1999 bei seinem zweiten Film „Ein kriminelles Paar“ zusammengearbeitet, später auch bei „Das Schmuckstück“. Wie hat er sich in all den Jahren verändert? Er ist älter geworden, keine Frage. (lacht) Und im Ernst? Er ist immer noch unglaublich effizient in der Arbeit und fordert viel von den Menschen, die an seinen Filmen mitwirken. Manchmal kann er schon sehr streng sein, denn er verlangt von seinen Mitstreitern, dass sie genauso konzentriert an die Arbeit gehen wie er selbst. Wobei ich sagen muss, dass ich den Eindruck habe, dass François in den letzten zwanzig Jahren ein bisschen milder und entspannter geworden ist. Bei den Dreharbeiten zu „Der andere Liebhaber“ hat er so oft und so viel gelächelt wie noch nie. Sagen Sie automatisch zu, wenn Ozon anruft und Ihnen eine Rolle anbietet? Ganz so ist es nicht. Bei „Der andere Liebhaber“ habe ich zum Beispiel erst gezögert, denn eigentlich steckte ich mitten in der Vorbereitung für einen Film, bei dem ich gemeinsam mit meinem Bruder erstmals selbst Regie führen wollte. Dafür wollte ich die Schauspielerei vorübergehend auf Eis legen. Aber François’ Drehbuch war einfach zu gut – und der Gedanke, einen erotischen Thriller zu drehen, zu verlockend. Vor allem mit jemandem, den ich schon so lange kenne und zu dem ich quasi blindes Vertrauen habe. *Interview: Patrick Heidmann Kinokarten: www.blu.fm/gewinne

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