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rik August 2018

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BUCH NACHGEFRAGT DR.

BUCH NACHGEFRAGT DR. STEFAN HEISSENBERGER „Ihr spielt wie Mädchen!“ Der Kultur- und Sozialanthropologe veröffentlichte vor kurzem sein Buch „Schwuler* Fußball – Ethnografie einer Freizeitmannschaft“. Wir chatteten mit dem Autor und Fußballer. *rä Das Klischee: Schwule spielen nicht Fußball. Richtig. Wie hoch jedoch der Anteil von Schwulen im Fußball ist, darüber gibt es keine verlässlichen Zahlen. Es wäre zu kurz gedacht, wenn man die Anzahl der Schwulen an der männlichen Gesamtbevölkerung einfach auf den Männer- Fußball umlegen würde. Was es jedoch auch gibt, sind schwule Fußballteams bzw. Sportvereine. Die Ersten davon sind in Deutschland in den 1980er-Jahren entstanden. Bei der Gründung gab es zwei Hauptmotive: 1. Einen sicheren und offenen Raum für jene zu schaffen, die im „Heten“-Sport (strukturell) ausgegrenzt wurden. 2. Zeigen, dass Schwule auch kicken können. Interessanterweise hatten schwule Fußballteams zuerst mit Gegenwind aus der eigenen Community zu kämpfen. „Warum macht ihr diesen Heten- und Machosport?“, war immer wieder vorwurfsvoll zu hören. Wie kamst du zum Sport? Ich komme aus einer sogenannten Fußballerfamilie. Väterlicherseits hat ein Großteil der männlichen Familienmitglieder selbst Fußball gespielt und/oder war Trainer. So auch ich. Im Studium besuchte ich ein Seminar zum Thema Männlichkeiten und musste dort ein Referat über Polo, Tango und Fußball in Argentinien halten. Hier wurde mein wissenschaftlichreflektiertes Interesse am Sport geweckt. Hattest du beim Sport auch homophobe Erlebnisse? Beim Schulsport etwa? Die Frage impliziert, dass ich selbst schwul sei, weil ich über schwule Fußballer forsche. Das passiert mir immer und lasse ich in der Regel auch so stehen, weil ich keine Notwendigkeit sehe, mich davon abzugrenzen. Unverhofft hat es mir sogar manchmal interessante Einblicke gegeben, wie es ist, als Schwuler wahrgenommen zu werden. Ganz abgesehen davon meinten die Fußballer von Vorspiel Berlin, jenem Team, dass ich beforscht habe, dass ich sowieso der Schwulste von ihnen wäre. Aber zurück zu deiner Frage: Das, was ich erlebt habe, war eine zutiefst homophobe und sexistische Sprache, die sich im „schwulen Pass“ oder „ihr spielt wie Mädchen“ ausgedrückt hat. So bin ich sozialisiert worden. Ich habe das bis ins frühe Erwachsenenalter in der Regel jedoch nicht als problematisch betrachtet. Erst durch eine feministische und lesbische Freundin und die Beschäftigung mit Geschlecht an der Uni habe ich das immer mehr infrage gestellt. Was man jedoch festhalten muss und sich auch in meiner Forschung gezeigt hat: Der Männer-Fußball ist offener geworden. Dank des Engagements von NGOs und des Einsatzes von progressiven Einzelpersonen in Verbänden sowie einer liberaler gewordenen Gesamtgesellschaft ist es heute einfacher, schwul in einem Hetero- Verein zu sein. Was jedoch nicht heißt,

dass Schwulsein generell eine Selbstverständlichkeit wäre. Du bist Geschlechterforscher, wie muss man sich deine Arbeit vorstellen? Damit hat man in den Sozialwissenschaften mittlerweile keinen Exotenstatus mehr. Mit einem solchen Fokus betrachtet man soziale Phänomene durch die Brille des Geschlechts und der sexuellen Identität. Andere SozialwissenschaftlerInnen schauen sich dabei zuerst Klasse, Alter oder Ethnie an. Die hohe Kunst ist es jedoch, trotz Spezialisierung die Verwobenheit dieser Kategorien herauszuarbeiten. Wie stehst du zur Diskussion zum dritten Geschlecht? Die Schaffung einer weiteren Möglichkeit jenseits der Binarität von weiblich und männlich ist gewiss ein Fortschritt. Sie schafft für alle jene, die sich hier verorten, Rechtssicherheit und ist gleichzeitig eine Anerkennung für sie als Bürger. Vom Minimal- Gesetzesvorschlag von Innenminister Seehofer inklusive der Kategorie „Anderes“ halte ich jedoch herzlich wenig.

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