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hinnerk Oktober 2017

FILM FOTO: MAREK SABOGAL

FILM FOTO: MAREK SABOGAL FOTO: JOSEF PERSSON „Ich bin sozusagen eine männliche Schwulenmutti.“ INTERVIEW DOME KARUKOSKI Wir sprachen mit dem Regisseur des Kinofilms „Tom of Finland“, der am 5.10. in die Kinos kommt. Herr Karukoski, kann es sein, dass es eine Weile gedauert hat, bis „Tom of Finland“ Wirklichkeit wurde? Angekündigt wurde der Film doch schon vor etlichen Jahren, oder? Es kann sein, dass Sie das mit einem zweiten Projekt verwechseln. Eine Zeit lang sah es nämlich so aus, als würde es noch einen anderen Film über Tom of Finland geben. 2013 wurde der mit einigem Tamtam angekündigt, da hatte ich schon zwei Jahre an der Entwicklung meines Films gearbeitet und mir gerade die Rechte an den Kunstwerken von Tom of Finland gesichert. Das war ein bisschen verwirrend, und selbst innerhalb der Branche hatten viele es nicht auf dem Schirm, dass es da um zwei verschiedene Projekte ging. Aber ich hatte den langen Atem, deswegen sitzen wir nun hier. War es für Ihren Film zwingend nötig, offiziell die Nutzungsrechte an den berühmten Zeichnungen zu haben? Ja und nein. Einerseits war mein Gedanke immer, dass ich keinen Film nur für Fans von Tom of Finland drehen wollte, denn so berühmt seine Bilder auch sind, haben trotzdem viele Menschen sie noch nie gesehen. Und die sollten etwas von meinem Film haben. Deswegen sollten die Bilder nicht im Vordergrund stehen. Aber andererseits hätte es sich falsch angefühlt, den Film zu drehen, ohne die Rechte zu haben. Nicht dass ich die Geschichte nicht hätte erzählen können, ohne sie zu zeigen, doch das hätte sich angefühlt wie Piraterie oder so. Die Zeichnungen spielen ja durchaus eine Rolle im Film ... Das stimmt, sie wurden zum Bestandteil der Erzählstruktur. Das hat sich zum Teil erst während des Drehens ergeben. Ich habe erst mit der Zeit wirklich verstanden, wie viel diese Bilder auch über das Leben von Tom of Finland alias Touko Laaksonen erzählen. Sie sind zwar erotische Fantasien, aber direkt beeinflusst von dem, was er erlebt hat. Dass er unter anderem Gefängniswärter gezeichnet hat, lässt sich nicht davon trennen, dass er selbst im Gefängnis saß. Wie viele Freiheiten konnten Sie sich herausnehmen was die Lebensgeschichte von Laaksonen angeht? Ich würde es so ausdrücken: Was die Emotionen angeht, ist „Tom of Finland“ sehr wahrhaftig. Aber natürlich sprechen wir nicht von einer Dokumentation, sondern von einem Spielfilm, und da muss man schon mal kreativ werden. Was die Jahreszahlen angeht, weichen wir aus dramaturgischen Gründen immer mal wieder von der Realität ab. Außerdem gibt es Bereiche in Laaksonens Biografie, über die es nicht wirklich Aufzeichnungen gibt. Den Alltag musste ich mir also ausdenken. Doch alle Eckpfeiler stimmen, und auch die verrücktesten Szenen, die wie erfunden wirken, haben sich tatsächlich ereignet. Zum Beispiel? Wir zeigen im Film eine Poolparty, während Toms Kalifornien-Aufenthalt, die von zehn amerikanischen Polizisten gesprengt wird, die exakt so aussehen, als seien sie der Fantasie von Tom of Finland entsprungen. Ist wirklich passiert. In der Realität waren es sogar noch mehr Cops, doch unser Budget reichte nur für zehn. Wie steht es um die Liebesgeschichte? War er tatsächlich all die Jahre mit seinem Lebensgefährten zusammen? Ja, die beiden waren 28 Jahre ein Paar, was ich unglaublich interessant und spannend finde, gerade in Anbetracht der hypersexuellen Bilder von Tom of Finland, die ja letztlich Sinnbild der Polygamie sind. Aber ja, trotz des Altersunterschieds von zwölf Jahren und diverser Eifersüchteleien waren Tom und Veli bis zu dessen Tod 1981 ein Paar. Damals wurden zwei Todesanzeigen veröffentlicht: eine von Velis Familie und eine von dem Restaurant, in dem er gearbeitet hat. In beiden wird Tom, also Touko, nicht einmal erwähnt – ist das nicht furchtbar? Dieses Versteckspiel, das damals für schwule Männer noch an der Tagesordnung war, fängt Ihr Film sehr eindrücklich ein ... Manches Detail habe ich sogar erst erfahren, als der Film längst im Kasten war. Wenn Velis

Familie zu Besuch kam, gaben sich Toms Schwester und eine Bekannte immer als die Freundinnen der beiden Männer aus. Überhaupt war die Rolle von Toms Schwester in dieser Beziehung ja eine besondere. Ihr Bruder und sein Lebensgefährte waren die einzigen Männer in ihrem Leben. Sie waren ein eingeschworenes Team, das war beinahe eine Dreiecksbeziehung. Nur Toms Kunst konnte sie nie akzeptieren. Selbst als sie 15 Jahre nach Toms Tod die Nachricht bekam, dass seine Bilder im MoMA In New York ausgestellt werden, waren ihre Worte: Was denken die sich? Wer will diesen Schmutz sehen? Sprach sie damit für die Mehrheit der Finnen? Oder ist man in Ihrer Heimat heute stolz auf Tom? Aufgrund seines englischen Künstlernamens „Tom of Finland“, weil er amerikanische Polizeiuniformen zeichnete und seine Arbeiten in den USA veröffentlicht wurden, hielten die meisten ihn ja jahrelang für einen Amerikaner, der vielleicht mal in Finnland im Urlaub war. Erst nach seinem Tod 1991 wurde bekannt, dass er ein Finne namens Touko Laaksonen war. Damals schämten sich wohl viele. Man machte sich Sorgen um Finnlands Ruf im Ausland. Aber dank der Bemühungen nicht zuletzt der Tom of Finland Foundation änderte sich das später. Inzwischen gab es in Finnland sogar offizielle Briefmarken mit seinen Zeichnungen als Motiv. Verklemmte Konservative beschimpfen so etwas auch heute noch als Homo-Propaganda, doch insgesamt sind wir stolz auf Tom of Finland, nicht zuletzt in Helsinki. Ich muss ja übrigens gestehen, dass ich automatisch davon ausgegangen war, dass Sie selbst auch schwul sind ... Haha, da sind Sie nicht der einzige. Die Vermutung liegt bei der Thematik des Films nahe. Viele Journalisten scheinen davon auszugehen, auch weil ich Halb-Amerikaner bin, dass die Figur des Doug in meinem Film autobiografisch ist. Die glauben, dass ich mal der 16-Jährige war, dem die Zeichnungen von Tom of Finland beim Coming-out geholfen haben. Und wie ist es wirklich? Was hat Sie als heterosexuellen Mann an Tom of Finland interessiert? Ich glaube, ich bin so schwul, wie man es als Heten-Mann nur sein kann. Ich komme aus einem sehr linken und vor allem liberalen Haushalt. Mein Vater ist Künstler, meine Mutter, mit der ich aufgewachsen bin, ist Journalistin. Und ich hatte und habe ziemlich viele schwule Freunde. Ich bin sozusagen eine männliche Schwulenmutti. Schwule Männer waren nie etwas, das mich in meiner Männlichkeit und Heterosexualität bedroht FILM hätte. Berührungsängste gab es also keine. Deswegen hat mich Tom of Finland nicht nur interessiert, weil ich selbst mal an der Kunsthochschule studiert habe, sondern auch, weil er einen Weg gefunden hat, den Leuten zu zeigen, dass ihre Fantasien und Fetische nichts sind, wofür sie sich schämen müssen. Und das zu einer Zeit, als er noch fürchten musste, für seine Homosexualität im Knast zu landen oder kastriert zu werden. Erinnern Sie sich noch daran, wann Sie zum ersten Mal seine Zeichnungen gesehen haben? Ja, da muss ich 12 oder 13 Jahre alt gewesen sein. Einer meiner Freunde, der sich wenig später geoutet hat, hatte einen der Comics. Wir hatten selbst noch nicht mal Haare am Sack, aber guckten uns mit großen Augen die Bilder dieser riesigen Schwänze an ... *Interview: Jonathan Fink Das ungekürzte Interview findest du auf www.blu.fm. Wir verlosen Karten auf www.blu.fm/gewinne KOMMENTAR Zum Film „Tom of Finland“ Dietmar Holzapfel, Inhaber der „Deutschen Eiche“ in München, zum Film. Die Faszination für gut gebaute, nackte oder uniformierte Männer gab es wohl schon immer. Bekannt ist zum Beispiel die Vorliebe von König Ludwig II. für seine „Leichten Reiter“. Betrachtet man ferner in der Antikensammlung am Königsplatz Vasen und Schalen der alten Griechen, findet man jede Menge erigierte Glieder und Geschlechtsakte. Auch der Kalif von Bagdad, auf den sich die Islamisten so gerne berufen, schrieb homoerotische Gedichte. Bis in die heutige Zeit werden Homosexuelle jedoch mit den Attributen schwächlich, feminin, ja sogar kränklich gleichgesetzt. Einer, der diese Sicht zumindest teilweise revolutionierte, war Tom of Finland, der jetzt durch einen aufwendigen Film posthum geehrt wird. Als Touko Laaksonen 1920 in Kaarina, Finnland, geboren, ist er seiner homoerotischen Kunst wegen bis heute in der schwulen Welt eine bewunderte Ikone. Seine Zeichnungen wurden ab den 1970ern zum Vorbild der schwulen Lederszene in der ganzen Welt. Schon früh, während des Zweiten Weltkriegs, erkannte er seine Lust auf Männer, doch war Homosexualität auch in Finnland verboten. Zunächst änderte sich dies lange Zeit nicht: Man trifft sich in dunklen Parks, stets mit Razzien rechnend, denn 1952 will Helsinki als „saubere“ Olympiastadt dastehen. Gegenüber seiner Schwester Kaija, mit der er die Wohnung teilt, ist er verschlossen. FOTO: DIETMAR HOLZAPFEL Sie entdeckt erst spät seine Bilder und ist froh, dass er unter Pseudonym zeichnet und so den Familiennamen nicht „besudelt“. Auch seine große Liebe Nipa bleibt bis zum Schluss nur „Untermieter“. Touko flüchtet sich in seine Kunst. Er zeichnet den eher harten Typ Mann, die eher femininen Männer reizen ihn nicht. Es sind muskulöse, selbstbewusste, gesunde Männer in Leder-Outfit, Uniform mit Schaftstiefeln und Lederkappen, die Hosen so eng, dass meist eine große Beule erkennbar ist. Oft drücken die Bilder Dominanz und Unterwerfung aus – und Freude am Sex! Dann ist auch ganz offen Fleisch zu sehen, abstehende Brustnippel, erregte Männer im Spiel miteinander. Den ganzen Beitrag gibt es auf http://www.blu.fm/kultur

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