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hinnerk Dezember 2016

BÜHNE 10 NUNES

BÜHNE 10 NUNES Interview „Ich würde gerne geschlechtsfrei besetzen“ FOTOS: ARMIN SMAILOVIC Antú Romero Nunes ist ein gefeierter Shootingstar der Theaterszene. Mit hinnerk spricht der Absolvent der „Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ über Inhalte, Geschlechterrollen und Walsperma. WIE FÜHLT ES SICH AN, MIT 33 JAHREN EINEN GANZEN MONAT, WIE JETZT IM DEZEMBER, MIT FÜNF INSZENIERUNGEN AN EINEM HAUS „GESCHENKT“ ZU BE- KOMMEN? Natürlich könnten sich die Leute fragen, was denn jetzt noch kommen soll, aber sie dürfen gespannt bleiben ... Ich arbeite doch auch schon, seit ich 25 Jahre alt bin. Es fühlt sich super an. Wenn ich früher an Hamburg dachte, war es ein Traum, mal am Thalia Theater zu inszenieren. GIBT ES EINEN ROTEN FADEN BEI DER AUSWAHL DER STÜCKE? Wenn es einen roten Faden gibt, dann ist es der Inhalt. Man sollte als Regisseur nicht nur versuchen, seine Handschrift hinzuknallen und dann zu schauen, ob es passt. Es geht darum, den Inhalten eine Form zu geben. WIE ENTSCHEIDEN SIE, WAS SIE ALS NÄCHSTES MACHEN? Ich versuche, auf mich zu hören. Als ich Brecht gemacht habe, habe ich mich ein Jahr lang mit ihm und anderen Autoren der Zeit zwischen den Weltkriegen beschäftigt. Deswegen kamen auch Stücke von Kafka und Joseph Roth mit dazu. Für Richard III. war die Überlegung, nach so vielen Arbeiten im Kollektiv auch mal ein Stück zu suchen, das man nicht so mit mir verbindet. Es geht um die Suche nach Stoffen. ERKLÄREN SIE DAS BITTE. Ich habe nichts davon, die gleiche Art von Bühnenbildern und Spielweisen zu wiederholen. Ich möchte nicht, dass die Leute, die nicht so oft kommen, denken: „Wieder so ein Nunes-Stück.“ Dass die Schauspieler, die Kafka, Brecht, Don Giovanni oder Richard spielen, jedes Mal eine komplett andere Spielart zeigen, das bereichert meinen Beruf ungemein. GIBT ES DENN NOCH TRÄUME? Ich würde gerne einen Film machen. Und ich würde mich gerne mal von einem Schauspieler inszenieren lassen. Am besten mit anderen Regiekollegen zusammen. Und ich würde gerne geschlechtsfrei besetzen. WAS MEINEN SIE DAMIT? Es läuft immer gleich ab: Welche Frau spielt die Prinzessin, welcher Mann spielt den Prinzen? Der Mann muss immer ein starker Mann sein, die Frau fraulich und am besten noch mit weißem Kleidchen. Ich stelle mir aber lieber die Frage, wen ich als Typen besetzen möchte. Ich habe zum Beispiel bei einigen Frauenrollen eher Fantasien zu Männern, weil ich den inneren Zugang zu Stoffen so interessanter finde. „Viele meiner Stücke kommen leicht schwul rüber.“ ZUM BEISPIEL? Bei Moby Dick haben wir lange diskutiert, ob Frauen dabei sein sollen. Ich habe Nein gesagt, weil es ein Schiff ist und voller Testosteron. Es gibt keinen Ausgleich. Das bedeutet aber nicht,

11 BÜHNE dass nichts Weibliches stattfindet. Das steckt ja in einem Mann genau so drin. Andersrum würde ich aber eben auch gerne Männerrollen durch Frauen besetzen. Das kann allerdings schwierig werden. WARUM? Weil Theater geschlechterspezifisch aufgebaut sind. Man weiß, es gibt weniger Frauenrollen, darum gibt es mehr Schauspieler. Dabei wird gerne vergessen, dass Shakespeare nur mit Männern gearbeitet hat, dass in der Antike nur Männer schauspielern durften. Damals war es normal, dass sich der Mann einfach eine Frauenmaske überzog und eine Frau darstellte. Mit jedem Intendanten stehe ich überall und jedes Mal vor der Diskussion: Warum kommt ihr denn nur mit den Schauspielerinnen für die Frauenrollen? Und dann kommt die Antwort, dass man sich ja sonst nicht in die Rolle einfühlen könne. Warum muss denn ein Schauspieler identisch mit seiner Rolle sein? Das ist doch das Langweiligste! Nicht mal im wahren Leben ist man doch ständig identisch mit dem, was man nach außen repräsentiert. Ich könnte ja über mich sagen, dass ich eigentlich eine lesbische Frau im Körper eines Mannes bin. Und viele meiner Stücke kommen, finde ich, auch leicht schwul rüber. . EINIGE SCHAUSPIELER STEHEN AUS DIESEM GRUND NICHT ZU IHRER SEXUELLEN ORIENTIERUNG. MAN WÜRDE OFT SCHWULE NUR IN SCHWULE ROLLEN STECKEN, BE- FÜRCHTEN SIE. KENNEN SIE SOLCHE BEISPIELE? Es wird offener. Schauspieler entdecken wieder die Lust an der Verwandlung. Ich kenne zum Beispiel einen, der unheimlich gerne Lulu spielen würde. WAS MEINEN SIE, WENN SIE SAGEN, IHRE STÜCKE KÄMEN SCHWUL RÜBER? BEI MOBY DICK SEHEN WIR DURCH- TRAINIERTE KERLE, BEI DON GIOVANNI OPULENTE KOSTÜME – SIND ES DIESE ATTRIBUTE? Nein. Ich höre das immer wieder von Zuschauern. Die sagen dann, sie hätten gemeint, dass Stück müsse wohl von einem Schwulen inszeniert worden sein. Ist nicht der Fall. (lacht) Ich glaube, es liegt vielleicht auch daran, dass ich umgekehrt zu meiner Aussage über Frauenrollen von vorhin ein sanfteres, liebevolleres Männerbild habe. Moby Dick ist natürlich aber auch die Sinnsuche eines schwulen Schriftstellers. Wenn da in Walsperma gebadet wird und das die Grundkraft für den Weltfrieden sei, dann ist das nicht nur ein philosophischer Ausflug, sondern auch ein schwules Augenzwinkern. Dem darf man sich nicht versperren. Man darf Unterschiede nicht einfach ignorieren, nur weil man alles gleichmachen, gleichbehandeln will. Man muss sie erst genau herausarbeiten, um sie dann gleichwertig zu behandeln. •Interview: Christian Knuth INFO STÜCKE VON ANTÚ ROMERO NUNES IM DEZEMBER 8., 13. + 19.12., Richard III. 20 Uhr 9., + 31.12., Die Dreigroschenoper, 19:30 Uhr 15.12., Moby Dick, 19:30 Uhr 20. + 27.12., Dass Schloss, 20 Uhr (wir verlosen Karten auf www.hinnerk.de) 25.12., Don Giovanni. Letzte Party, 19 Uhr Thalia Theater, Alstertor, Hamburg, U/S Jungfernstieg, www.thalia-theater.de

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