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blu Mai 2018

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MUSIK JANELLE INTERVIEW

MUSIK JANELLE INTERVIEW MONÁE „I am a free motherfucker“ Was für eine spannende Frau. Janelle Monáe, vor 32 Jahren in Kansas City geboren und früh von BigBoi (Outkast) und Puff Daddy gefördert, hat schon mit ihren soulfuturistischen Alben „The ArchAndroid“ (2010) und „The Electric Lady“ (2013) für Aufsehen und Begeisterung gesorgt. Nachdem Monáe jedoch 2016 in tragenden Rollen im mit drei Oscars ausgezeichneten Drama „Moonlight“ sowie dem nicht minder tollen Film „Hidden Figures“ über schwarze, weibliche Mathegenies bei der NASA in den frühen Sechzigern zu sehen war, dürfte jetzt auch die Musikkarriere durch die Decke gehen. Janelles drittes Album „Dirty Computer“ ist dann auch ihr fraglos zugänglichstes bislang. Den Außerirdischen- und Cyborg-Kram, den sie so liebt, zügelt sie diesmal zugunsten von sehr menschlichen, insbesondere feministischen Botschaften. Mit einem weitgehend in Rap-Form vorgetragenen Stück wie „Django Jane“ will Monáe aufrütteln, jeglicher Diskriminierung den Garaus machen und Frauen Mut zusprechen. Dafür, dass „Dirty Computer“ nicht nach dem Politik- oder Gender-Studies-Seminar an der Uni klingt, sorgen allerknackigste Beats. „Make Me Feel“, die erste Single, ist eine Feel-Good-Hymne zwischen Funk, Soul, R ’n’ B und Pop, Prince hat daran mitgearbeitet, und die Achtziger lassen freundlich grüßen. Auch „Screwed“ klingt sehr sexy und lässt in Sachen Heiterkeit nichts anbrennen. Mit „I Like That“ und „Pynk“ zeigt Janelle außerdem, dass sie sich auch im soft-erotischen R ’n’ B-Bereich bestens auskennt.

Janelle Monáe, wir führen dieses Gespräch ausgerechnet am Internationalen Weltfrauentag. Bedeutet dir dieses Datum etwas? Oh mein Gott, natürlich, absolut und zu hundert Prozent. Ich liebe es, eine Frau zu sein. Ich liebe es, andere Frauen zu unterstützen und zu fördern. Mädchen sollen schon früh die Gewissheit haben, dass sie auf hohem Niveau mithalten können, und dass sie selbstverständlich in allen Bereichen die gleichen Chancen haben wie Jungs. Feminismus kommt auch Männern zugute, oder? Selbstverständlich. Feminismus nützt der gesamten Menschheit. Wir alle profitieren als Gesellschaft, wenn niemand diskriminiert oder unterschätzt wird. Die Rechte der Frauen und ihr Wohlergehen sind Menschenrechte. Wenn du dich um die Frauen kümmerst, dann kümmerst du dich um die gesamte Menschheit. Die beiden Filme, in denen du mitgespielt hast, gehören zu den wichtigsten Filmen des vergangenen Jahres. Glück oder ein gutes Händchen bei der Auswahl? Beides wahrscheinlich. Ich habe Rollen ausgewählt, zu denen ich gleich eine starke und feste Verbindung aufbauen konnte. Das Drehbuch zu „Moonlight“ habe ich im Flugzeug gelesen. Ich saß am Fenster und weiß noch, wie ich mir die Decke über den Kopf zog und anfing zu heulen, als ich die Geschichte über diesen kleinen Jungen gelesen habe. Bei „Hidden Figures“ wiederum habe ich mich total geärgert, dass niemand von diesen Frauen etwas wusste, von diesen genialen schwarzen Mathematikerinnen bei der NASA, ohne die die gesamte Geschichte der bemannten Raumfahrt vielleicht anders aussähe. Mein Gedanke war: Die Leute müssen diese Frauen kennenlernen. Warum? Weil sie Menschen feiern, die mir am Herzen liegen – toughe, kluge Frauen und einen jungen schwulen Schwarzen, ein Mitglied der LGBQ-Gemeinschaft. Gerade diese Menschen bekommen zu häufig nicht die Anerkennung, die sie verdienen. Sie werden übersehen und an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Diese tollen Menschen, um die geht es mir. Als ein Mitglied dieser Gesellschaft, das eine Stimme hat, die gehört wird, will ich solche Menschen herausstellen, auf das verdiente Podest heben. In „Django Jane“ rappst du die Zeile „Let the vagina do the monologue“. Sollen die Frauen den Mund aufmachen und die Männer mal die Klappe halten? Absolut. Also, ich habe nichts Grundsätzliches gegen Männer, ich liebe Männer und nicht alle Männer sind der Feind. Aber es gibt sie, die Feinde. Nicht jeder Mann ist ein guter Mann. Manche sind schrecklich. Ich denke, der derzeitige Führer der freien Welt, und mit ihm die Männer und Frauen, die sein Tun ermöglichen, sind meine Feinde. Diese Leute interessieren sich nicht für mich, eine junge schwarze Frau, die in Amerika aufgewachsen ist und deren Eltern aus der Arbeiterklasse stammen. Meine Mutter war Hausmeisterin und mein Vater hat bei der Post gearbeitet und ist Lastwagen gefahren. Meine Familie galt als arm. Nein, den Mächtigen sind Menschen wie wir oder meine Freunde von früher gleichgültig. Ich denke sowieso, es ist allerhöchste Zeit, dass mehr Frauen in machtvolle Positionen kommen, gerade in den USA. Egal, ob an der Wall Street, auf dem Capitol Hill, im Weißen Haus, in der Musikindustrie, in der Filmbranche – es gibt Studien, die zeigen, dass sexuelle Belästigungen abnehmen, sobald Frauen in einem Betrieb das Sagen haben. „Make Me Feel“, eine Uptempo-Funk- Dance-Nummer mit starkem 1980er- Einfluss, klingt schwer nach einem Riesensommerhit. Man kann sich vorstellen, wie die Leute am Strand zu dem Lied Party machen werden. Yeah, hoffentlich tun sie das. „Make Me Feel“ dreht sich zu hundert Prozent ums Feiern. „Django Jane“ ist eine relativ wütende Botschaft, aber „Make Me Feel“ ist ein überschwänglich fröhlicher Song, eine richtige Hymne. Zugleich ist das Lied mein Plädoyer für sexuelle Befreiung und sexuelle Freiheit. Ich finde, jeder Mensch hat das Recht, seine Sexualität nicht klar zu definieren. Bei vielen von uns funktioniert das ja auch nicht innerhalb eines Schwarz-Weiß-Schemas. Leben wir nicht sowieso alle irgendwo in einem Graubereich? Jeder soll so leben und so lieben können, wie er möchte und wie er ist – ohne bewertet zu werden. Wäre es nicht wundervoll in einer Welt zu leben, in der wir alle vollkommen frei und ohne Tabus glücklich werden dürfen? Im Video zu „Make Me Feel“ tanzt du hin- und hergerissen zwischen einer männlichen und einer weiblichen Person. Manche interpretieren den Clip als dein bisexuelles Coming-out. Ist da was dran? I am a free Motherfucker. Mehr möchte ich zu der Frage nicht sagen. Ist recht. Das ganze Video sieht sehr hell und sehr bunt aus. Normalerweise beschränkst du dich auf Schwarz und Weiß. Lässt du jetzt MUSIK die Farben rein? Ja, das stimmt. Ich habe aus meiner Kreidekiste früher immer am liebsten die weiße und die schwarze Kreide benutzt. Aber auf diesem Album probiere ich auch die anderen Farben aus. Ich habe noch nie ein so verletzliches und persönliches Album gemacht wie „Dirty Computer“. Ich habe dieses Mal die Ehrlichkeit der Geheimnistuerei vorgezogen. Du hast an „Make Me Feel“ mit Prince gearbeitet, der Song klingt außerdem krass nach „Kiss“. Wie wichtig war Prince für dich? Prince war ein Mentor und ein enger Freund. Er hat schon auf meinem vorherigen Album mitgearbeitet, und auch an „Dirty Computer“ ist er beteiligt. Jedes Mal, wenn ich mit einer neuen Platte angefangen habe, ging ich zuerst zu Prince. Es ist schwer für mich, überhaupt über ihn zu sprechen, ich vermisse ihn wirklich schrecklich. Als ich ihm sagte, in welche Richtung ich mit dem Album gehen wollte, kam er sofort mit Vorschlägen, er spielte mir dieses und jenes vor, war total in seinem Element. Prince brannte für die Musik. Und ich wusste immer, dass er für mich da sein würde, wenn ich ihn brauche. Was kannst du über seine Persönlichkeit erzählen? Er war zurückhaltend. Zum Beispiel wollte er nicht, dass die Öffentlichkeit weiß, wie viel er für mich und meine Musik tat. Deshalb mag ich das jetzt auch nicht detailliert erzählen. Prince hatte, so viel kann ich sagen, mehr Einfluss auf meine Musik, als die meisten Menschen glauben. Kurzum: Prince ist mein Held. Er wird immer mein Held sein. Ich würde nicht so große Träume träumen, hätte Prince mir nicht vorgelebt und bewiesen, wie es geht. Warum heißt das Album „Dirty Computer“? Weil es sich mit den Viren und Programmfehlern von uns selbst beschäftigt. Die Gesellschaft sieht unsere Unzulänglichkeiten als etwas Negatives, man will uns reinigen. „Dirty Computer“ feiert die Fehler, das Album erkennt sie als etwas Positives und Wertvolles an, das die Gesellschaft bereichert. Weil wir voll von diesen interessanten, nicht perfekten Charakterzügen sind, bringen wir die Welt voran, erfinden schlaue Dinge, verbessern das Leben der Menschen. Ich jedenfalls liebe den „Dirty Computer“ in meinem Kopf, ich habe nicht vor, meine Festplatte jemals zu säubern. *Interview: Steffen Rüth

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