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blu Februar 2017

VALENTINSTAG Interview

VALENTINSTAG Interview LAUREN FOSTER „Lern deinen Partner kennen, seinen Charakter und seinen Körper. Geh mit ihm respektvoll um ...“ FOTOS: JOE LALLY MALE MODEL: LEVI KARTER Geboren und aufgewachsen in Südafrika, unterzog sich Lauren Foster bereits mit 18 Jahren einer geschlechtsangleichenden Operation. Ihre Familie unterstützte sie von Anfang an auf ihrer Reise, auch körperlich eine Frau zu werden. Wenige Jahre später sah man sie in einer Fotostrecke der mexikanischen Vogue, bevor ein anderes Model sie vor der ganzen Welt outete. Foster ignorierte die Schlagzeilen. Sie arbeitete weiter erfolgreich als Model und in ihrer Tätigkeit im Eventbereich mit Rockstars wie Grace Jones. Vor kurzem launchte Foster die Website JustAnotherGirl.org, mit der sie jungen Transsexuellen Mut machen will. Im Gespräch verriet sie uns alles über ihren neuen Freund, ihre Meinung über Caitlyn Jenner, und weshalb sie manchmal sogar Kritik aus den eigenen Reihen einstecken muss. DU HAST EINE WEBSITE GELAUNCHT, JUSTANOTHERGIRL.ORG, AUF DER DU JUNGEN TRANSSEXUELLEN MENSCHEN TIPPS UND RATSCHLÄGE GIBST. WAS IST DENN DER BESTE RATSCHLAG, DEN DU IN DEINEM LEBEN BEKOMMEN HAST? Bleib dir selbst treu, aber leb nicht in einer Blase. Lass dich nicht von deiner Transsexualität definieren. Akzeptiere sie, sei stolz darauf und dann leb dein Leben. Versuche, deine Privatsphäre zu schützen. Stell nicht dein halbes Leben auf Instagram und Facebook zur Schau. Es ist als Transperson schwierig genug, mit all den Steinen, die man uns in den Weg legt. Noch schlimmer ist es aber, anderen die Steine in die Hand zu geben, mit denen sie dich später auszubremsen versuchen. UNTER ANDEREM GIBST DU AUF DEINER WEBSITE JUNGEN TRANSSEXUELLEN FRAUEN BEAUTY-TIPPS. ALS MODEL MACHT DAS DURCHAUS SINN, ANDE- RE BEKANNTE TRANSFRAUEN HABEN ALLERDINGS SCHON KRITIK EINSTECKEN MÜSSEN, WEIL SIE DAS FRAUSEIN ZU SEHR AUFS ÄUSSERE BESCHRÄNKEN. Deshalb ist mein ganz persönlicher Tipp an alle Transfrauen auch ein natürlicher Look. Anstelle von Unmengen Make-up und schweren Perücken ist das Wichtigste, sage ich immer, eine reine Haut und schönes Haar. Guck dir doch mal die Frauen auf YouTube an, die Make-up- Tutorials geben! Ohne das ganze Zeug im Gesicht sehen sie plötzlich nicht mehr so toll aus. Männer mögen Frauen, die natürlich aussehen. Mein Freund liebt es zum Beispiel, mich nach dem Aufwachen zu beobachten. Er nennt das „blonde on white“, weil wir weiße Bettwäsche haben und ich blonde Haare. WO WIR SCHON BEI DER LIEBE SIND: DU HATTEST IMMER GLÜCK MIT DEINEN MÄNNERN. Ja! Ich hatte großes Glück mit meinen Männern. Ich hatte mich vor einigen Monaten von meinem jetzigen Freund für eine kurze Zeit getrennt und habe dann einen neuen Mann kennengelernt, der in Ohio lebte. Als ich eingeladen wurde, den Gay Pride in Ohio zu hosten, und am Flughafen ankam, erhielt ich von ihm eine SMS, in der er mir vorwarf, ihm nie von meiner Transsexualität erzählt zu haben.

Und das war tatsächlich bislang die schlimmste Reaktion, die ich je von einem Mann bekommen habe. Ich hatte Glück. Mein jetziger Freund ist Unterwäschemodel und absolut hinreißend. Er twittert in die ganze Welt hinaus, dass er mich liebt. GIBT ES REGELN FÜR MENSCHEN, DIE MIT EINER TRANSSEXUELLEN FRAU ODER EINEM TRANSSEXUELLEN MANN ZUSAM- MEN SIND? Man weiß doch selbst, ob man sich zu einer Person hingezogen fühlt oder nicht. Lern deinen Partner kennen, seinen Charakter und seinen Körper. Geh mit ihm respektvoll um, und dann ergibt sich alles von ganz allein. Die Regeln sind die gleichen wie für alle anderen Partner. Und ja, ich weiß, dass mir die Trans-Community dafür wieder einen auf den Deckel hauen wird. „DIE BESTE MUSE EINER FRAU IST SIE SELBST.“ DIESES ZITAT VON DIR HABE ICH IN EINER KURZBIOGRAFIE ÜBER DEIN LEBEN GELESEN. WAS HAT ES MIT DIESEM MOTTO AUF SICH? Verlass dich nicht auf andere, verlass dich nur auf dich selbst. Wenn du eine Antwort auf eine wirklich wichtige Frage suchst, such am besten in dir und nicht in anderen. BIST DU SO AUCH AN DEINE KARRIERE HERANGEGANGEN? EINE FOTOSTRECKE IN DER MEXIKANISCHEN VOGUE HAT DICH IN DEN 1980ER-JAHREN INTERNA- TIONAL BEKANNT GEMACHT. WIE KAMST DU AN DEN JOB? Zu der Zeit war ich noch sehr jung. Ich war verliebt in einen Mexikaner, den ich in Los Angeles kennengelernt hatte. Es war damals gar nicht so einfach, als Südafrikanerin an ein Visum für einen Mexikoaufenthalt heranzukommen. Mein Freund arbeitete für die Regierung und konnte mir helfen. Ich zog also nach Mexico City. Es war schön in Mexiko, aber ich wollte nicht den ganzen Tag herumliegen und Tapas essen. Ich unterzeichnete einen Vertrag bei einer dortigen Modelagentur und schon bald bekam ich einen Anruf von meiner Bookerin, die mich zu einem Go-See für ein Vogue-Shooting schickte. Nie im Leben hätte ich geglaubt, dass ich den Job bekommen würde. Außerdem hatte ich gerade meine Haare kurz geschnitten. Einen Tag später fand ich mich vor einem wunderschönen Ferienhaus wieder. Die Betreiberin der Anlage begrüßte mich und es stellte sich heraus, dass es sich um meine Bookerin handelte. Sie verkündete mir, dass ich den Job hätte. Da ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Das Shooting selbst war nicht so toll. Ich mochte den Stil der 1980er-Jahre nicht besonders. Gerade wenn ich mich heute zurückerinnere, wünsche ich mir, die Designer hätten sich etwas anderes einfallen lassen. (lacht) SPÄTER HAT DICH DANN EIN ANDERES MODEL ALS TRANSSEXUELL GEOUTET, DU HAST DICH DAVON ABER NICHT AUS DER BAHN WERFEN LASSEN, SONDERN BIST GANZ GELASSEN MIT DER SITUA- TION UMGEGANGEN. WOHER RÜHRT DIESES SELBSTBEWUSSTSEIN? ICH WEISS, DASS DEINE FAMILIE DICH IMMER UN- TERSTÜTZT HAT. Meine Familie hat für mich immer den größten Halt dargestellt. Sie haben mich immer der Mensch sein lassen, der ich bin. Nachdem mich eine Kollegin geoutet hatte, verkaufte ein Fotograf meine Story an diverse Magazine. Ich selbst sah von diesem Geld keinen Cent. Ich hatte noch versucht, ihn ausfindig zu machen, um ihn zu verklagen, habe ihn aber nie wieder gesehen. Mein Outing fand zu einer Zeit statt, als es das Internet noch nicht gab. Die Story erschien also in, ich glaube, fünf internationalen Publikationen. Eine Woche später landeten die Hefte aber auch schon im Müll oder als Auslage in den Böden von Vogelkäfigen und es interessierte niemanden mehr. GLAUBST DU, DEINE TRANSSEXUALITÄT HAT DICH IN DEINER KARRIERE EINGE- SCHRÄNKT ODER VIELLEICHT SOGAR WEITERGEBRACHT? Kurz nach meinem Outing bin ich umgezogen. Und weil es eben noch kein Internet gab, wusste auch niemand, wer ich war. Man konnte mich nicht googlen. Mittlerweile gibt es ja sogar Modelagenturen nur für transsexuelle Menschen. Ich finde das seltsam. Warum können transsexuelle Models nicht auch bei anderen Agenturen unter Vertrag stehen, wozu das Präfix „trans-“? So degradiert man uns zu Freaks. Ich bin seit Jahren im Modelgeschäft, und zwar weil ich tue, was ich tue und wie ich es tue, und nicht, weil ich transsexuell bin. Mir ist bewusst, dass unsere Bewegung Input braucht, aber das muss doch anders gehen? WARUM GLAUBST DU DAS? Manchmal werde ich kritisiert, weil ich eben nicht mit meiner Transsexualität hausieren gehe. Dann sage ich immer, ich lebe in Laurens Welt und nicht in der Welt von Trans-Lauren. Erst gestern habe ich ein Interview mit einer befreundeten VALENTINSTAG Schauspielerin gelesen, die in der Serie „Transparent“ mitspielt. Sie sagte, sie könne nie eine Nicht-Transfrau spielen, denn dann müsse sie den Leuten etwas vormachen. Ich wollte sie gleich kontaktieren und ihr sagen, dass das Blödsinn sei. Ich finde, wenn wir so denken, machen wir einen Schritt zurück und nicht nach vorne. Die Öffentlichkeit hat schon genug Probleme, sich mit dem Gedanken einer transsexuellen Person im Bekanntenkreis anzufreunden. Vor einer Weile habe ich zwei Jungs in Miami getroffen. Wir wollten ausgehen und die beiden kamen zu Besuch. Sie fragten mich, ob sie mich nicht schon einmal in der Show „The Real Housewives of Miami“ gesehen hätten, und ich sagte ja. Sie googelten mich dann gleich und einer der beiden fragte mich, was ich denn von Caitlyn Jenner halte. Ich antwortete, dass ich sie für ihre Öffentlichkeitsarbeit bewundere und ihre Botschaft unterstütze. Darauf sagte er, dass er ein Problem mit Frauen hätte, die einen Penis haben. Viele Menschen sind noch nicht bereit, sich mit dem Problem ernsthaft auseinanderzusetzen. Sieht man es der Person nicht an, ist es in Ordnung, aber eine Frau mit Penis, das geht gar nicht. DU SELBST HATTEST DEINE GE- SCHLECHTSANGLEICHENDE OPERATION SCHON MIT 18 JAHREN. HATTEST DU KEINE ANGST? SCHLIESSLICH WAR EINE SOLCHE OPERATION DAMALS MIT NOCH MEHR RISIKEN VERBUNDEN UND DIE LITE- RATUR DARÜBER LIMITIERT. Eigentlich nicht. Ich kannte vier andere Frauen in meiner südafrikanischen Heimat, die alle beim selben Arzt waren. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich zu der Privatklinik dieses Arztes geflogen bin. An der Passkontrolle wollte man mich erst nicht durchlassen, da sie aufgrund meines Ausweises einen Mann erwartet hatten. Ich meinte nur: „Deshalb bin ich hier“, und man ließ mich mit einer wissenden Geste weiterreisen. Einen Tag, nachdem ich in die Klinik eingecheckt hatte, wurde ich operiert. Ich bin aufgewacht und habe nie wieder zurückgeblickt. •Interview: Felix Just www.justanothergirl.org

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