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blu April 2017

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MUSIK INTERVIEW BLONDIE

MUSIK INTERVIEW BLONDIE FOTO: A. THOMPSON „Jedes Album ist ein kleiner Neuanfang“ Debbie Harry (71) und Chris Stein (67) bestaunen den prächtigen Alexanderplatz-Blick in ihrem Zimmer im Berliner „Soho House“ und wirken exakt wie das etwas in die Jahre gekommene, linksliberale New Yorker Szenepaar, das sie – obschon seit Jahrzehnten nicht mehr liiert – auch sind. Gern vollendet man die Sätze des anderen, gern neckt man sich spielerisch, stets wirkt der Umgang der beiden Blondie-Köpfe miteinander sehr liebevoll. Drei Jahre nach ihrem Jubiläumswerk „Blondie 4(0) Ever“ kehren die Urgesteine, auf deren Konto zeitlose Hits wie „Heart of Glass“, „The Tide Is High“ und „Maria“ gehen, mit dem neuen, erstaunlich jung und engagiert klingenden Album „Pollinator“ zurück. Unterstützt wird Blondie bei den neuen Songs unter anderem von David Sitek (TV On The Radio), Johnny Marr und Sia, produziert hat John Congleton (Sigur Ros, Goldfrapp, Marilyn Manson).

MUSIK Debbie, du sagst auf eurer Single „Fun“: „You’re my fun, you pick me up again.“ Über wen singst du diese Zeile? Debbie Harry: Über niemand Bestimmtes. Ich habe recht viele gute Freunde, männliche wie weibliche, mit denen ich abends wunderbar weggehen und den Alltag vergessen kann. An diese Menschen ist der Song gerichtet. Hast du beim Weggehen so viel Spaß wie eh und je? Debbie: (lacht) Doch, danke. Ich glaube, ich habe meine Portion an Spaß. Vielleicht habe ich sogar mehr Spaß, als ich eigentlich sollte. Wie meinst du das? Debbie: Die Leute könnten motzen: „Hey, sie ist über siebzig, sie sollte mal ruhiger werden“. Die Gesellschaft ist es nicht so gewohnt, dass Leute in unserem Alter, Frauen zumal, noch so umtriebig sind. Aber was soll ich sonst mit dem Leben anfangen? Ich hatte immer schon Spaß daran, meine Probleme, Konflikte und Sorgen hinter mir zu lassen und den Moment zu genießen. Lebst du so, wie die meisten Menschen, die keine 20 oder 30 mehr sind, insgeheim gern leben würden? Debbie: Das kann ich nicht beantworten. Ich weiß nur, dass viele denken: „Mensch, Debbie Harry, immer gut drauf, sie muss ein super Leben haben.“ So schlicht ist es natürlich nicht. Auch ich habe meine Schlachten zu schlagen, das Leben ist kein Rosinenbrötchen. Das heißt: Deinen Spaß musst du dir auch manchmal erkämpfen und erstreiten. Wo findest du deinen Spaß? Debbie: Überall. Ich treibe viel Sport, ich gehe gern ins Kino, ins Theater, ich tummele mich auf Partys und auch in Klubs. Na ja, und ich besuche total gerne Chris und seine Familie. (lacht) Im Video lässt du im Klub wirklich die Sau raus. Entspricht das der Realität? Debbie: Was glaubst denn du? Ich liebe es, tanzen zu gehen. Ich liebe das fast mehr als alles andere. Du siehst im Video halb so alt aus, wie du bist. Debbie: Das macht der viele Disconebel. (lacht) Ich würde sagen, ich halte mich so weit ganz ordentlich. Was für Sport machst du? Debbie: Ich habe einen Trainer, wir machen viel für die Balance, für die Standfestigkeit. Und viele Übungen im Bereich der Achtsamkeit. Für mich funktioniert das sehr gut, ich mache das gerne. Chris, machst du mit? Chris Stein: Nein, echt nicht. Ich fahre lieber Fahrrad. Ich war mal ein Jahr lang Mitglied in einem Fitnessklub, das war nix. Das Studio „Magic Shop“, in dem ihr „Pollinator“ aufgenommen habt, musste kurze Zeit später schließen. Chris: Ja, „Pollinator“ ist das letzte Album, das dort aufgenommen wurde. Traurig. David Bowie, der dort direkt vor uns sein Album „Blackstar“ eingespielt hat, war zwei Monate zuvor gestorben, als wir dort zu arbeiten anfingen. Das hat unseren Aufenthalt schon sehr emotional gemacht. Seid ihr wegen Bowie dort hingegangen? Chris: Nein, das nicht. Der Nostalgiefaktor mag eine kleine Rolle gespielt haben, aber in erster Linie ist das Studio einfach sehr praktisch für uns gewesen, auch unser Produzent John Congleton wollte gern dort aufnehmen. Das neue Album hört sich wirklich frisch und unverbraucht an. Seid ihr froh, dass die ganzen Feierlichkeiten rund um das 40-jährige Bandjubiläum hinter euch liegen und ihr euch wieder auf die Gegenwart konzentrieren könnt? Chris: Für uns ist tatsächlich jedes neue Album ein kleiner Neuanfang. Zumindest denken wir das. Dieses Mal war uns wichtig, mit der ganzen Band in einem Raum zu sein und ein wirkliches Gemeinschaftsprojekt zu machen. Auf den vorherigen zwei Alben haben wir mehr mit dem Computer gemacht, ich denke, die Leute, und auch wir, wollten den guten, alten Rock ’n’ Roll- Vibe zurückhaben. Sia hat für euch das Stück „Best Day Ever“ geschrieben. Bewundert sie dich, Debbie? Debbie: Weiß ich nicht. Sia ist unheimlich cool. Chris und ich bewundern sie mit Sicherheit nicht weniger, als sie möglicherweise uns bewundert. Was bedeutet der Begriff „Pollinator“, also „Bestäuber“, mit Blick auf euer Album? Chris: So wie die Bienen hin- und herfliegen und Dinge an einer Stelle sammeln, um sie an eine andere Stelle zu bringen, so bauen wir unsere Musik zusammen. Wir holen uns überall Inspiration und basteln uns unser Blondie-Ding zusammen. Debbie: Mir ist dieser Titel total spontan eingefallen, als ich am Telefon mit Chris sprach. Ein cooles Wort, oder? Ich dachte irgendwie an Pollen, an den Terminator, an Bienen … na ja, so bekomme ich meine Ideen. Ich kann das nicht genauer erklären, so was passiert mir einfach manchmal. Du bist gerade zur „Stil-Ikone des Jahres“ vom Magazin Elle gewählt worden. Deine Reaktion? Debbie: Ich bin sehr glücklich darüber. Mich überraschen solche Auszeichnungen immer, aber wenn ich mal ernsthaft darüber nachdenke, dann kann ich schon verstehen, wie das zustande gekommen ist. Sehr viele Modedesigner haben über die Jahre Kleidung und ganze Linien entworfen, die auf meinem Look aus den Siebzigern basieren. Warum überrascht dich so was noch? Debbie: Weil die anderen Künstlerinnen so viel organisierter sind als ich. Die sehen immer perfekt aus, jedes Mal. Ich habe meine freien Tage, ich gehe auch oft komplett ungestylt auf die Straße. Es wäre mir zu stressig, immer das perfekte Make-up aufzulegen und mir Gedanken über meinen Stil zu machen, wenn ich mit den Hunden Gassi gehe. Hilft nichts, wir müssen noch über euren Präsidenten reden. Wie ist die Stimmung in New York mit Trump. Hat sich der Trubel gelegt? Debbie: Nein, wir stehen alle nach wie vor total unter Spannung. Alle sind sehr, sehr misstrauisch, und das auch zu Recht. Blondie steht für Diversität, für Toleranz, für Menschenrechte… Chris: Man kann sagen, dass Trump und Blondie sich fürs Erste unversöhnlich gegenüberstehen. Jetzt muss man sehen, ob sich sein Treiben einpendelt, aber die nächsten ein bis zwei Jahre wird es nicht sehr angenehm. *Interview: Steffen Rüth

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